Einleitung
Die Technische Analyse (auch Chartanalyse) ist eine Form der Finanzanalyse. Sie untersucht die Kurs- und Umsatzhistorie des Basiswerts mit dem Ziel, den Verlauf zu bewerten, d. h. die Wahrscheinlichkeiten verschiedener Szenarien der weiteren Kursentwicklung einzuschätzen und letztlich so günstige Kauf- bzw. Verkaufszeitpunkte zu ermitteln. Die technische Analyse untersucht ausschließlich das Verhalten des Finanzmarktes, also die Kurshistorie und ggf. das Handelsvolumen der Basiswerte. Im Gegensatz zur Fundamentalanalyse werden betriebswirtschaftliche Daten des Unternehmens oder das volkswirtschaftliche Umfeld (z. B. volkswirtschaftliche Indikatoren) nicht miteinbezogen. Es geht also darum, die aktuelle Meinung des Marktes zu einem Wert abzubilden, nicht um die Ermittlung eines „fairen Wertes“ für ein Wertpapier.
Die wesentliche Grundlage technischer Analysen ist der Begriff des Trends, also das Phänomen, dass die Veränderung von Wertpapierkursen ein Trägheitsmoment besitzt, nach dem einmal angelaufene Prozesse der Preisveränderung dazu neigen, sich fortzusetzen. Diese Annahme steht nicht grundsätzlich im Widerspruch zur Markteffizienzhypothese, allerdings geht sie davon aus, dass sich bei Änderung der wirtschaftlichen Bedingungen Markteffizienz häufig nicht mit sofortiger Wirkung einstellt, sondern sich der Markt einer fairen Bewertung schrittweise annähert.
Allgemein
Das fundamentale Axiom der technischen Analyse ist, dass sämtliche entscheidungsrelevanten Informationen über Vergangenheit und Zukunft bereits im Kursverlauf enthalten sind und Prognosen voraussichtlicher Kursentwicklungen ermöglichen. Das setzt voraus, dass die Kapitalmärkte nicht effizient sind, denn andernfalls wäre es nicht möglich, durch Analyse des Kursverlaufs diesen selbst zu prognostizieren und zu arbitrieren. Daher muss Informationsdiffusion im Markt vorliegen, d. h., kursrelevante Informationen dürfen nur mit Zeitverzug eingepreist werden.
Allen charttechnischen Analysemodellen ist die Annahme gemeinsam, dass es wiederkehrende, beobachtbare Ereignisse mit jeweils ähnlichen, wahrscheinlichen Zukunftsverläufen gibt. So können – je nachdem, welcher Disziplin ein Chart-Analytiker folgt – bestimmte geometrische Muster oder rein statistische, quantitative Indikatoren als „Richtungsanzeiger“ verwendet werden.
Der Berufsverband der Technischen Analysten in Deutschland ist die Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands.
Geschichte
In der westlichen Welt gilt der US-Amerikaner Charles Dow (der Entwickler des nach ihm benannten Dow Jones Index) als Begründer der technischen Analyse. Er publizierte seine Dow Theory über die Chartanalyse in einer Reihe von Artikeln im Wall Street Journal ab 1884. Dow erhob dabei nie den Anspruch, eine wissenschaftliche Theorie entwickelt zu haben, die dazu geeignet wäre, künftige Preise einzelner Aktien vorherzusehen. Er betrachtete seine Erkenntnisse vielmehr als Handwerkszeug für Analysten, um generelle Markttrends besser definieren zu können. Dow geht davon aus, dass Finanzmärkte sich zyklisch verhalten und in kurz-, mittel- und langfristigen Wellen verlaufen.
Der US-Mathematiker Ralph Nelson Elliott baute in den 1930er und 40er Jahren auf den Erkenntnissen von Charles Dow auf und begründete die Theorie der Elliott-Wellen. Sein Modell beschreibt ebenfalls Trendzyklen, die aber sehr viel stärker mathematisch definiert sind als in der Dow-Theorie.
Richard W. Schabacker, einer der einflussreichsten Finanzjournalisten seiner Zeit, veröffentlichte in seinem 1932 erstmals erschienenen Buch „Technical Analysis and Stock Market Profits: A Course in Forecasting“ die heute noch gültige Zusammenfassung der Grundlagen der auf geometrischen Mustern basierenden Chartanalyse.
Möglicherweise marktbeeinflussend wurden die rein quantitativen Analysemodelle der Charttechnik aber erst mit der breiten Verfügbarkeit der Computertechnik. Seit den 1980er Jahren sind technische Handelsmodelle in Realzeit berechenbar und werden zum Handeln gewaltiger Investitionssummen auf internationalen Finanzmärkten angewandt.
Kritik
Ob man mit Hilfe der technischen Analyse tatsächlich Aussagen über den weiteren Kursverlauf eines Wertpapiers machen kann, ist wissenschaftlich nicht erwiesen und umstritten. Vertreter der klassischen Finanzmarkttheorien (Markteffizienzhypothese, Random Walk) etwa stehen im Widerspruch dazu. Quantitative Studien, die sich mit der Aussagekraft unterschiedlicher technischer Prognosemodelle beschäftigen, sind selten.
Ein Argument für die Einbeziehung der Charttechnik in die Kursanalyse ist die weite Verbreitung und die Popularisierung über Anlegermagazine. Allein dadurch, dass aus dem Glauben an die Chartanalyse heraus viel Kapital bewegt wird, entsteht das aus der Psychologie bekannte Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung, welches eine aussagekräftige statistische Validitätsuntersuchung erschwert. Aus dem Glauben an ein Eintreffen der erwarteten Kursbewegungen heraus werden dann Aktionen (In diesem Fall entsprechende Limitorders, Stop-Buy- und Stop-Loss-Orders) ausgeführt, die in der Masse dann selbst die eigentliche Ursache für das tatsächliche Stattfinden dieser Kursbewegungen sein können.[2]
Charts
Allgemein
Ein Chart ist ein Diagramm, das den Kursverlauf eines Basiswerts darstellt. Typischerweise wird die Zeit auf die Abszisse und der Preis auf die Ordinate linear abgetragen. Um Preisbewegungen verhältnismäßiger darzustellen, kann – gerade bei längerfristigen Zeiträumen – die Preis-Achse logarithmisch skaliert werden. Die beiden Zeitparameter des Charts sind der Betrachtungszeitraum und die Größe der einzelnen Zeitintervalle. Meist wählt man die Zeitintervalle umso größer, je größer auch der gesamt betrachtete Zeitraum ist – und umgekehrt.
In der Regel verwendet man die folgenden Darstellungsvarianten für Charts. Darüber hinaus sind weitere Varianten im Einsatz.
Balken-Chart
In Balken-Charts (auch OHLC für open, high, low, close) wird jedes Intervall als eine senkrechte Linie dargestellt, die vom tiefsten zum höchsten Kurs innerhalb des Intervalls reicht. Der Eröffnungskurs wird als ein waagerechter Strich auf der linken Seite repräsentiert und der Schlusskurs als waagerechter Strich auf der rechten Seite.
Linien-Chart
Bei Linien-Charts werden nur die Schlusskurse der jeweiligen Intervalle dargestellt und durch eine Linie verbunden. Durch das Fehlen von Hoch- und Tiefkurs sind die Kursschwankungen innerhalb eines Intervalls nicht ersichtlich; das Diagramm enthält dadurch weniger Information als die anderen Darstellungstypen. Manche Charts können auch nur als Linien-Chart dargestellt werden, z. B. Intraday-Charts, die jeden Tick (d. h. jedes einzelne Geschäft) als eigenen Wert zeigen. Tick-Charts haben eine nichtlineare Zeitachse, weil sich pro Zeiteinheit unterschiedlich viele Ticks ergeben, je nachdem wie oft ein Wertpapier gehandelt wird.
Candlestick-Chart (Kerzenchart)
Candlestick-Charts, im deutschen häufig Kerzencharts, sind eine Abwandlung der Balkencharts, in denen kleinere Trends leichter erkennbar sind. Der japanische Reishändler Munehisa Homma („Gott der Märkte“, geb. 1724) war der Erste, der aus einer langjährigen Aufzeichnung der Preise an der japanischen Reisbörse die Darstellungsform der Kerzencharts entwickelte und die Analyse der Kerzencharts für die Prognose der Preisentwicklung für den Reis nutzte. Die Spanne zwischen Eröffnungs- und Schlusskurs wird als kleines Rechteck (Körper) dargestellt. Dieses ist weiß (hohl) oder grün, wenn der Schlusskurs über dem Eröffnungskurs liegt bzw. schwarz oder rot, wenn der Schlusskurs darunter liegt. Über diesem Rechteck befindet sich ein Strich bis zum Hoch des Intervalls (der sog. Docht oder oberer Schatten). Vom unteren Rand des Rechtecks bis zum Tief wird ebenfalls ein Strich gezeichnet (die sog. Lunte oder unterer Schatten). Dadurch hat diese Darstellungsform eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Kerze.