Chicago in den 1840er Jahren
Über den Ursprung des ersten organisierten Terminkontraktmarktes in den USA, der Chicago Board of Trade CBOT (ChicagoerTerminbörse), ist nur wenig bekannt. Unglücklicherweise wurden viele der frühesten Aufzeichnungen während des Großfeuers von Chicago im Jahre 1871 vernichtet. Belegt ist jedoch, dass Chicago in den 1840er Jahren zu einem Handelszentrum wurde. Bahnlinien und Telegrafenleitungen verbanden Chicago mit dem Osten der USA.
Um dieselbe Zeit wurde die „McCormick“ – Getreidemähmaschine (Bild links) erfunden. Diese Erfindung führte letztlich zu höherer Weizenproduktion. Die Farmer des Mittleren Westens kamen nach Chicago und verkauften ihren Weizen an Händler, die ihn ihrerseits von Chicago aus über das ganze Land versandten.
Stellen Sie sich die damalige Situation des typischen Farmers vor: Er brachte seinen Weizen nach Chicago in der Hoffnung, ihn zu einem guten Preis zu verkaufen. Die Stadt hatte nur wenige Lagereinrichtungen und keine etablierten Verfahren, um das Getreide zu wiegen oder zu klassifizieren. Tatsache war: Der Farmer war häufig auf Gedeih und Verderb dem Händler ausgeliefert.
Bald erkannte eine Gruppe von Chicagoer Geschäftsleuten, dass die Stadt helfen musste. Aus dieser Initiative heraus wurde im Jahre 1848 ein zentraler Platz eröffnet, an dem sich Farmer und Händler treffen konnten, um mit „spot“ > spot commodity > (lieferfertigem) Getreide zu handeln – also Bargeld gegen sofortige Lieferung von Weizen auszutauschen. Der Terminkontrakt – Futures-Contract genannt – wie wir ihn heute kennen, entwickelte sich, als Farmer (Verkäufer) und Händler (Käufer) begannen, sich auch für Austausch von Getreide gegen Bargeld in der Zukunft (engl. Future) zu verpflichten. Zum Beispiel vereinbarte der Farmer mit dem Händler einen Preis, zu dem er ihm Ende Juni 5.000 Bushel Weizen liefern würde. Die Vereinbarung stellte beide Parteien zufrieden: Der Farmer wusste, wie viel man ihm für seinen Weizen zahlen würde und der Händler kannte seine Kosten im Voraus. Vielleicht haben die Parteien einen entsprechenden schriftlichen Vertrag und sogar einen kleinen Geldbetrag als „Garantie“ oder Anzahlung ausgetauscht.
Bald wurden solche Kontrakte üblich und sogar als Sicherheit für Bankkredite verwendet. Außerdem wechselten die Verträge noch vor dem Lieferdatum die Besitzer. Entschied der Händler, dass er den Weizen nicht haben wollte, verkaufte er den Kontrakt an jemanden, der das Getreide wollte. Oder der Farmer, der seinen Weizen nicht liefern wollte, reichte seine Verpflichtung möglicherweise an einen anderen Farmer weiter. Dabei stieg und fiel der Preis abhängig vom Geschehen auf dem Weizenmarkt. Trat schlechtes Wetter ein, so war ein Kontrakt des Verkäufers für dessen Besitzer ein wertvollerer Kontrakt, weil das Angebot geringer ausfiel; fiel die Ernte größer als erwartet aus, verlor der Kontrakt an Wert. Es dauerte nicht lange, bis Leute, die keinerlei Absicht hatten, jemals Weizen zu kaufen oder zu verkaufen, die Kontrakte zu handeln begannen. Dies waren Spekulanten > speculator, die hofften, zu einem niedrigen Preis zu kaufen und zu einem hohen Preis zu verkaufen – oder hoch zu verkaufen und niedrig zu kaufen.